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30. January 2019

Emotionen in der Medizin | Gefühle als positive Kräfte | (E)motions meet medicine | wie entsteht ein Gefühl?

(E)Motions meet Medicine. Was hat emotionale Kompetenz mit Selbstverantwortung zu tun?
 

(E)Motions meet Medicine. Was hat emotionale Kompetenz mit Selbstverantwortung zu tun?

Objektivität, Professionalität und Abgrenzung sind Qualitäten die gerade von Menschen, die im Gesundheitsbereich tätig sind, immer wieder gefordert werden und die diesen Ansprüchen auch gerecht werden wollen. Emotionen am Arbeitsplatz gelten in den meisten professionellen Kontexten allerdings noch immer als Tabu, werden als Gefühlsduselei oder einfach als reine Privatangelegenheit abgetan. Dabei ist lägst bekannt, dass emotionale Kompetenz von Menschen ausschlaggebend für Gesundheit ist. [1] Egal ob Gesundheitseinrichtung, Krankenhaus, großes Klinikum, Pflegeeinrichtung oder Praxis: Überall sind Menschen gefordert cokreativ zu sein und für ihre Patientinnen und Patienten da zu sein. Dabei kommen früher oder später Gefühle ins Spiel. Menschen werden wütend, wenn etwas schiefläuft, sie haben Angst vor Veränderung, sind traurig, wenn sie Verluste erleiden und schämen sich, wenn sie Fehler machen. Und sie freuen sich, wenn etwas gut läuft. Das ist natürlich und gehört zu unserem Menschsein.

Die Unfähigkeit angemessen mit Gefühlen umzugehen, kann jedoch verheerende Auswirkungen haben.  Die Idee, dass alles gut würde, wenn Menschen ihren Gefühlshaushalt an der Tür zu den Patientinnen und Patienten oder überhaupt zur Einrichtung oder Praxis, aber auch abends an der Haustüre auf Standby stellen würden, ist der große Irrtum. Wenn Gefühle weggeschaltet werden, wird die gesamte innere Fülle einer Person ausgeblendet. Und genau diese innere Diversität unterscheidet uns Menschen von Maschinen und der künstlichen Intelligenz, die in allen Bereichen auf Vormarsch sind. Wenn Menschen mit ihren Gefühlen in Kontakt sind, sind sie mit sich selbst in Kontakt – mit ihren Bedürfnissen, ihren Werten, ihrem Gespür für Stimmigkeit und Echtheit, mit ihrer Intuition. Ein riesiger Bereich menschlicher Intelligenz ist nur über das Fühlen zugänglich. Die Hirnforschung hat gezeigt, dass ausschließlich Gefühle uns Menschen in Bewegung bringen, sowohl mental, als auch emotional und natürlich körperlich. Veränderungen, und diese sind gerade in Gesundheitsbereich zurzeit sehr stark vorhanden und werden auch gefordert, können demnach nur über (E)Motionen kreiert, gesteuert und bewältigt werden.

Gerade Menschen, die im Gesundheitsbereich tätig sind, sind tagtäglich mit Gefühlen in den unterschiedlichen Ausprägungen konfrontiert. Seien es die eigenen, oder die der Patientinnen und Patienten oder deren Angehöriger. Unsere Gefühle erscheinen uns dabei besonders schwer greifbar, hoch sensibel und zuweilen unkontrollierbar. Ein weit verbreiteter Mythos zum Thema Gefühle besagt, dass diese irrational und unverständlich sind. Das zeigt sich schon darin, dass wir den Begriff „Gefühl” sehr vage verwenden — und zwar für so ziemlich alles, was sich dem rationalen Verständnis entzieht. „Ich habe das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt” ist ein klassisches Beispiel solch schwammiger Aussagen. Doch wofür haben wir Gefühle eigentlich? Sind sie wirklich so unlogisch und vielleicht sogar unpraktisch wie gemeinhin angenommen? Oder verbirgt sich hinter unseren emotionalen Wogen vielleicht eine geheime Logik, eine unsichtbare Gesetzmäßigkeit, die wir bislang schlicht noch nicht entdeckt haben?
Eine weitere Herausforderung ist der Begriff selbst. In den verschiedenen Disziplinen wird das Wort Gefühle mit unterschiedlichen Konzepten belegt.

Ich verwende die Kategorisierung von Vivian Dittmar [2], die mir als sehr logisch erscheint, für Menschen verständlich und in der Praxis für mich selbst aber auch für Patientinnen und Patienten umsetzbar ist.

Unter dem Überbegriff Empfindungen finden sich folgende Unterscheidungen:
  • Körperliche Empfindungen
  • Biologische Programmierung
  • Reine Gefühle (Beziehungsgefühle)
  • Emotionen
  • Fähigkeit oder Bewusstseinszustände.
Heute möchte ich auf die fünf reinen Gefühle bzw. Beziehungsgefühle eingehen, die sich sehr schön mit der buddhistischen fünf Elemente Lehre kombinieren lässt.

Fünf Elemente und Grundgefühle
Dieser Ansatz besagt, dass sich alles Existierende aus fünf Elementen zusammensetzt: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum/Äther. Auf der Gefühlsebene begegnen uns die Elemente als Wut, Trauer, Angst, Freude und Scham. In der Wut steckt die Kraft glühenden Lavas. Trauer ist reinigend wie frischer Regen. Unsere Freude ist vibrierend wie Sommerluft und unsere Angst entlädt sich zitternd wie ein Erdbeben. Bei den Grundgefühlen handelt es sich nicht um eine willkürliche Auswahl. Vielmehr befähigen uns genau diese Gefühle in ihrer Kombination, mit allen Situationen im Leben angemessen umzugehen. Sie repräsentieren das Spektrum unserer gesamten emotionalen Bandbreite.

Wut – Klare Positionierung
Wut (Element Feuer) ist ein Gefühl, das immer dann auftritt, wenn uns etwas gegen den Strich geht. Wut steckt in unserem Bauch und kann ungeahnte Muskelkraft freisetzen. Wut ist dann ein richtig gutes Gefühl, wenn wir genau wissen, was uns nicht passt und es auch in unserem Einflussbereich liegt, es zu verändern. Die richtige Dosis Wut gibt mir genau das richtige Maß Energie, um mich durchzusetzen, nein zu sagen oder zu beschweren. Richtig unpraktisch ist Wut hingegen dann, wenn ich an einer Situation nichts ändern kann. Dann brauchen wir andere Gefühle – zum Beispiel Trauer.

Trauer – Annehmen, was ich nicht ändern kann
Im Gegensatz zu Wut versetzt Trauer (Element Wasser) uns nicht in Handlungsbereitschaft, sondern sie lässt uns zur Ruhe kommen. Sie ist dazu da, uns zu helfen, Situationen anzunehmen. Trauer hilft uns, mit all jenen Situationen angemessen umzugehen, die wir nicht ändern können. Etwa wenn ein geliebter Mensch gestorben ist. Es gibt allerdings auch Situationen, die wir weder annehmen noch verändern können. Hier braucht es nochmal ein anderes Gefühl – zum Beispiel Angst.

Angst – Sich auf das Unbekannte einlassen
Dieses Gefühl mag keiner haben: Angst (Element Erde). Sie steht für Lähmung, Handlungsunfähigkeit, Ausgeliefertsein und Ohnmacht. Doch auch Angst ist ein Gefühl, das nicht entstanden ist, um uns das Leben schwer zu machen, sondern erfüllt eine wichtige Funktion. Da Angst in Situationen auftritt, die wir weder annehmen noch verändern können, ist Angst ein Signal für das Unbekannte. Dieses Unbekannte kann eine Gefahr bergen, es kann aber auch eine große Chance für etwas komplett Neues sein.

Scham – Sich selbst hinterfragen
Manchmal ist es an der Zeit, sich selbst zu hinterfragen. Hierbei ist ein weiteres, zuweilen unbeliebtes Gefühl, von zentraler Bedeutung: die Scham (Element Raum/Äther). Sie lässt uns in den Spiegel unserer eigenen Werte blicken. Haben wir den prüfenden Blick erst auf uns selbst gelenkt, können wir jedes andere Gefühle auch auf uns selbst anwenden und bewusst reflektieren: die Wut, wenn wir uns einfach mal einen Ruck geben müssen, die Trauer, wenn es gilt, Anteile anzunehmen oder die Angst, wenn wir Aspekten ins Auge sehen, mit denen wir nicht umzugehen wissen.

Freude – Wertschätzen, was mir gefällt
Freude (Element Luft) gilt jenen Dingen, die wir als richtig empfinden. Es ist das einzige Gefühl, das wir sofort als positiv einordnen: Freude gilt Umständen, die unseren Bedürfnissen entsprechen. Jedes der anderen Gefühle gilt hingegen Situationen, die anders sind, als wir sie gerne hätten. Freude ist Wertschätzung. Sie sagt: Das gefällt mir! Das habe ich mir gewünscht! Doch nicht immer empfinden wir Freude. Allzu oft nehmen wir etwas für selbstverständlich und versäumen es, das weiche Bett als Anlass zur Freude zu nehmen. Woran liegt das? Um das zu verstehen müssen wir uns der Frage zuwenden, wie Gefühle überhaupt entstehen.

Wie entsteht ein Gefühl?
Gefühle werden erzeugt, und zwar von uns selbst. Es sind unsere Gedanken, also wie wir eine Situation interpretieren, die Gefühle entstehen lassen. Und zwar jedes Gefühl durch eine andere Interpretation: Wut durch die Interpretation, dass etwas “falsch” ist, Trauer, dass es “schade” ist, Angst, dass es “furchtbar” ist und Freude, dass es “richtig” oder “schön” ist. Scham hingegen, wird ausgelöst durch den Gedanken, dass ich selbst vielleicht falsch bin. Diese Grundinterpretationen sind wie Knöpfe in unserem Kopf, die wir bedienen und dadurch Gefühle erzeugen. Da uns dieser Prozess jedoch in der Regel nicht bewusst ist, kommt es uns so vor, als würden unsere Gefühle aus dem nichts entstehen.

Gefühle als Kraft oder Schatten
Besonders schwierig wird es, wenn unsere Gefühle sich nicht als positive Kräfte zeigen, die eben genau das sind, was wir in der jeweiligen Situation brauchen, sondern in ihrem Schattenausdruck: Statt für Klarheit zu sorgen, wird Wut zerstörerisch. Trauer hingegen führt in ihrem Schattenausdruck nicht zu positiver Annahme der Situation, sondern zu depressiver Passivität. Angst ist ganz und gar nicht schöpferisch, wenn sie sich in ihrem Schatten zeigt. Im Gegenteil: sie lähmt uns. Scham in ihrem Schatten unterstützt uns nicht in einer gesunden Selbstreflexion, sondern wir zerfleischen uns buchstäblich mit Selbstvorwürfen. Überraschend dürfte für die meisten Menschen sein, dass auch unser Lieblingsgefühl Freude nicht nur positiv ist. Auch sie hat einen Schattenausdruck: die Illusion. Wir reden uns Dinge schön, die eigentlich dringend der Aufmerksamkeit einer anderen Gefühlskraft bedürften.

Gefühle im Körper – Halt oder Ausbruch
Gefühle lassen sich ganz konkret im Körper spüren und lokalisieren. Jeder kennt einen flauen Magen oder zittrige Beine. Im Umgang mit unseren Gefühlskräften spielt es eine große Rolle, wie gut wir unseren Körper wahrnehmen und ob wir Gefühle in ihm „halten“ können. Können wir es nicht, lassen wir Gefühle gar nicht erst zu und unterdrücken sie, bis sie als unkontrolliert ausbrechen. Dann zeigen sich nur die Schattenseiten unserer Gefühle. Ein präsenter, kraftvoller und flexibler Körper kann uns hingegen helfen, Gefühle als positive Kraft einzusetzen. Spüren wir aufkommende Wut im Bauch rechtzeitig und vermögen wir über das nötige Durchsetzungsvermögen, müssen wir nicht gleich explodieren. Wir machen einfach klar, was wir anders haben wollen.

Gefühle und Professionalität – Streben nach Erfolg
Wenn wir also verstanden haben, dass Gefühle unser Rüstzeug sind, um auch mit schwierigen Situationen angemessen umzugehen, eröffnet sich eine neue Sichtweise: Gefühle motivieren unser Leben bewusst und aktiv zu führen. Sie befähigen, uns in den Fluss des Lebens zu begeben und es in allen Facetten zu bejahen. Gefühle sind keineswegs Hindernisse auf unserem professionellen Weg, sondern im Gegenteil: sie sind Ausdruck unseres Strebens nach Erfolg. Durch den bewussten Umgang mit unseren Gefühlen nehmen wir das Leben mit allen Herausforderungen an, anstatt sie von uns wegzuschieben.
Gefühle überwältigen uns nicht einfach. Wir erzeugen sie. Und das ist unsere große Freiheit. Das ist wo wir in unsere Selbstverantwortung gehen und das ist wo wir unsere Patientinnen und Patienten erfolgreich unterstützen können
 
 
Autorin:
Mag. Gabriele M. Hochwarter

Dozentin für Klinische Psycho-Neuro-Immunologin
Pflegewissenschaftlerin und Energetikerin

 
Nähere Infos zu diesem Thema bekommen Sie bei folgendem Workshop am 23. Februar 2019:
Mentale und emotionale Komponenten aus der kPNI in Theorie und Praxis
https://www.gamed.or.at/de/Veranstaltungen/298


 
[1] Franken, Ulla (2010) Emotionale Kompetenz- Eine Basis für Gesundheit und Gesundheitsförderung. Bielefeld
[2] Dittmar, Vivian (2007) Gefühle und Emotionen. München
[3] Hochwarter, Gabriele (2016) Über Säbelzahntiger, Sex und Energieräuber. Der Weg zur besten Version von dir. Hamburg

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