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02. March 2018

Hanf | Arzneipflanze

Hanf ist nicht gleich Hanf (Gastbeitrag aus der Lebensweise)

Die Hanfpflanze (Cannabis sativa) wurde in Österreich zur Arzneipflanze des Jahres 2018 gekürt. Während Medizinal-Cannabis in Österreich nicht verordnet werden darf, werden einzelne Cannabinoidsubstanzen zunehmend in der Therapie eingesetzt. Doch es gibt weitreichende Unterschiede. Die Lebensweise sprach mit dem Schmerzmediziner Hans Georg Kress darüber. Frei verkäufliche Hanfextrakte sind etwa kein Ersatz für Cannabinoid-Medikamente, wie CBD (Cannabidiol) oder THC (Dronabinol).

Experten und Expertinnen der pharmazeutischen Institute der Universitäten Graz, Innsbruck und Wien haben Hanf zur Arzneipflanze des Jahres gekürt aufgrund ihrer aktuellen Bedeutung, der Vielfalt an interessanten pharmakologisch wirksamen Inhaltsstoffen und der Tatsache, dass sie nun in Österreich zur Arzneistoffgewinnung angebaut wird.

 

Als Schmerzmediziner arbeiten Sie schon länger mit Cannabinoiden. Woher kommt das wachsende Interesse?

Hans Georg Kress: Cannabinoidsubstanzen sind definitiv als Arzneimittel in der Schulmedizin angekommen. Das körper-
eigene Endocannabinoid-System hat eine wesentliche Bedeutung als integrativ modulierendes System zwischen großen Regelkreisen wie Immun-, Nerven- und Hormonsystem. Die in diese Systeme eingreifenden Cannabinoide sind wertvolle Arzneimittel, für die in Zukunft weitere Einsatzgebiete entdeckt werden.

Daher ist aber auch eine seriöse Trennung zwischen Cannabinoiden als Medizin und Cannabis als Rauschmittel extrem wichtig. Der Nutzen der Reinsubstanzen ist für die anerkannten Indikationen bereits in mehreren klinischen Studien sowie teilweise auch in Metaanalysen mit hoher Evidenz belegt und in renommierten Fachjournalen publiziert. Weitere Studien sind noch im Laufen. Ein wesentlicher Vorteil der Einzelsubstanzen besteht darin, dass sie eine gezielte Dauer-Therapie mit genauer, reproduzierbarer Dosierung und konstanten Blutspiegeln gewährleisten.

Also doch legalisieren?
Die ganze Legalisierungsdebatte hat mit der medizinischen Anwendung von Cannabinoidarzneistoffen nichts zu tun! Es gibt keinen Patienten, der in Österreich illegal zur Cannabispflanze greifen muss, um die nachgewiesene Wirkung bestimmter Cannabinoide zu nutzen. Wer heute Kopfweh hat, geht in die Apotheke und holt sich ein Aspirin. Es geht doch heute niemand in die Donau-Auen, schneidet Rinde der Silberweide und macht damit einen Teeaufguss – obwohl der wahrscheinlich eine ähnliche Wirkung hätte. Anders als vor Jahrhunderten sind wir heute so weit, dass wir milligrammgenau Wirkstoffe zur Verfügung stellen und Reinsubstanzen einsetzen können.

Wie ist das genau geregelt in Österreich?
In Österreich wird Cannabis einerseits wegen der langen Fasern als Faserhanf landwirtschaftlich im Feldanbau genutzt. Andererseits wird Cannabis sativa seit kurzem von der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) wegen des Gehaltes an psychoaktivem Dronabinol als Drogenhanf für die Isolierung von Cannabinoiden unter streng kontrollierten Bedingungen in Gewächshäusern kultiviert. Essenziell ist eine Unterscheidung zwischen den Zubereitungen der Pflanze Cannabis sativa (Haschisch oder Marihuana), die wegen ihrer berauschenden Wirkung auch außerhalb der Medizin verwendet werden, und den als Reinsubstanzen verwendeten und als Cannabinoide bezeichneten spezifischen Hauptwirkstoffen Tetrahydrocannabiol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC und CBD besitzen ein unterschiedliches Wirkspektrum und können bei bestimmten Beschwerdebildern positive medizinische Wirkungen erzielen.

Welche Stoffe lassen sich wo einsetzen?
Partialsynthetisches THC ist unter der Bezeichnung Dronabinol in Österreich seit 2004 rezeptierbar. Seit 2015 ist auch das von pharmazeutischen Herstellern aus Cannabis extrahierte THC für magistrale Zubereitungen ärztlich verschreibungsfähig. Durch klinische Studien mit hoher Evidenz belegte Einsatzgebiete sind vor allem Tumorschmerzbehandlung und Symptomkontrolle in der Palliativmedizin, Chemotherapie-assoziierte Übelkeit sowie Magersucht bei Tumor- und AIDS-Patienten, schmerzhafte Spastik bei Multipler Sklerose sowie neuropathische chronische Schmerzen. Neben den magistralen Zubereitungen von Dronabinol als Rezepturarzneimittel in Form von Kapseln oder Tropfen ist auch ein Sublingual-Spray mit einer Dronabinol-CBD-Mischung als Fertigarznei im Handel. Daneben sind synthetisches Dronabinol sowie das synthetische THC-Analogon Nabilon auf dem heimischen Arzneimittel-Markt.

Nicht alle Inhaltstoffe von Hanf sind aber suchtgiftpflichtig. Wo liegt der Unterschied?
Das stimmt. Cannabidiol (CBD) ist ein nichtpsychoaktives Cannabinoid aus dem Hanf. Cannabidiol besitzt aufgrund fehlender berauschender Wirkung keinerlei Suchtpotenzial und gilt in Österreich nicht als Arzneimittel. Das ist aber auch das Problem bei der Kostenerstattung: Die Krankenkassen stufen es nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsmittel ein. Damit gibt es auch keine Kostenerstattung. Die am besten untersuchten Indikationen für hoch dosiertes CBD sind frühkindliche refraktäre Epilepsien, kindliche Schizophrenie sowie die Vorbeugung von Graft-versus-Host-Reaktionen nach Knochenmarkstransplantationen. Auch die Schizophrenie bei Erwachsenen sowie Angstzustände und die Schmerztherapie in Kombination mit Analgetika könnten sinnvolle Indikationen darstellen. Eine eventuelle Anti-Tumorwirkung bei Glioblastomen sowie eine Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wird erforscht und ist noch nicht gesichert. Reines CBD ist in Österreich derzeit als Rezeptursubstanz über bestimmte Apotheken erhältlich. CBD dürfte jedoch in absehbarer Zeit in Europa und den USA erste Arzneimittel-Zulassungen – vermutlich in der Indikation frühkindliche Epilepsie – bekommen.

Es gibt hier aber auch Produkte im normalen Handel. Wie können sich Laien hier orientieren?
Die in das Endocannabinoid-System eingreifenden Cannabinoide sind wertvolle Arzneimittel. Daher ist eine strikte Trennung zwischen Cannabinoidsubstanzen als Medizin und frei verkäuflichen Cannabisextrakten wichtig. Die Reinsubstanzen aus der Apotheke bieten den Vorteil, dass sie gezielt, in bedarfsgerecht ausreichender und exakt reproduzierbarer Dosierung vom Arzt als Arzneimittel eingesetzt werden können. Es kursiert aber viel Halbwissen – vor allem im Internet. Und es gibt gerade dort Anbieter, die verschiedene „Cannabis“-Extrakte offerieren. Zunächst muss man wissen, dass diese kein THC (Dronabinol) in wirksamen Mengen enthalten dürfen. Außerdem weiß der Käufer nicht genau, was tatsächlich im Extrakt enthalten ist und wie er hergestellt wurde. „Gesamtextrakte“ spiegeln etwa vor, ein Eins-zu-Eins-Abbild der Pflanze zu sein. Das ist aber nicht so. Es sagt nur, dass alle mit dem jeweiligen Verfahren extrahierbaren Substanzen enthalten sind. Es können aber auch Keime, toxische Stoffe, Pflanzenschutzmittel oder Insektizide enthalten sein. Deshalb empfehlen wir hochkonzentrierte Cannabinoidsubstanzen aus der Apotheke. Extrakte wie CBD-Öl, Hanföl und andere Produkte haben oft einen sehr geringen Gehalt an Cannabinoiden, weil der in Europa erlaubte dafür verwendete Industriehanf kaum mehr als 2 % CBD enthält und maximal 0,2 % THC enthalten darf. Im Normalfall enthalten solche Extrakte daher praktisch kein THC und viel zu wenig CBD, um therapeutisch wirksam zu sein.



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